Einmal quer durch die Tschechische Republik
Tschechien: So nah und doch so fern. Osteuropa ist für Radreisende noch ein relativ unentdecktes Terrain. Doch gerade das macht den Reiz einer Radtour bei unseren östlichen Nachbarn aus. Kulturell hat Tschechien jede Menge zu bieten, landschaftlich ähnelt es der Mitte Deutschlands. Ein Netz von gut ausgebauten Fernradwegen führt durch das ganze Land, alternativ radelt man auf Feldwegen und kleinen Straßen. Oft ist es so ländlich, dass man weit und breit keinem Menschen begegnet.
Los geht es in Prag, das mit dem Zug oder Fernbus von vielen Orten Deutschlands gut zu erreichen ist. Das erste Stück verläuft durch etwas eintönige Wohnviertel und Vororte, dann geht es durch weite Kornfelder Richtung Norden, bis man bei Lázně Toušeň die Elbe erreicht. Nun wird die Landschaft reizvoller: Durch grüne Flussauen windet sich ein glatt geteerter Radweg am kleinen, beschaulichen Fluss entlang – vorbei an kleinen Ausflugsbooten, Schleusen und Sommercafés, die Snacks und Erfrischungsgetränke anbieten.
Erster Zwischenstopp ist Nymburk, wo man im hübschen, von Wassergräben umgebenen Zentrum über den Marktplatz schlendern und Reste der wehrhaften Stadtmauer besichtigen kann. Weiter geht es entlang der Elbe, vorbei am verträumten Städtchen Poděbrady und nach Süden bis ins attraktive Kolín. Hier verlässt man den Fluss und fährt auf Radwegen entlang der Straßen bis zur Weltkulturerbe-Stadt Kutná Hora (Kuttenberg). Berühmt ist sie für die St.-Barabara-Kathedrale, die an Kirchen in Frankreich erinnert, das imposante Kastell, die Königsresidenz Welscher Hof und die pittoreske Innenstadt. Wer es makaber mag, sollte das Beinhaus im nahen Vorort Sedlec besuchen: Die Kellerräume sind gefüllt mit „Kunstwerken“ aus den Knochen und Schädeln Verstorbener.
Unesco-Welterbe-Städte in einsamer Landschaft
Nun geht es wieder ostwärts. Hinter Čáslav wird die Landschaft hügeliger, und wenn man die großen Straßen umgehen möchte, lassen sich einige Bögen und Steigungen nicht vermeiden. Dafür findet man sich unversehens in einer Hochebene mit Kuhweiden und winzigen Dörfern wieder, die ein bisschen an die Pyrenäen erinnert. In Heřmanův Městec kann man einen Übernachtsstopp machen, anschließend radelt man durch sanft gewellte Landschaft und an kleinen Flussläufen entlang nach Vysoké Mýto – ein willkommener Zwischenstopp. Wie in vielen tschechischen Kleinstädten liegt im Zentrum der weitläufige, rechteckige Hauptplatz. In der Mitte ragt die kunstvoll verzierte Mariensäule in die Höhe, rumdherum reihen sich hübsche Häuser, Kirchen und das Rathaus. Hier findet man garantiert eine Auswahl an Eisdielen und Cafés mit leckeren tschechischen Kuchen, Mohn- und Quarktaschen.
Nun ist es nicht mehr weit bis Litomyšl (Leitomischl) – der Geburtsstadt des Komponisten Bedřich Smetana und ebenfalls Weltkulturerbe. Der dreieckige Smetana-Platz im Zentrum ist geprägt von schönen Renaissance-Gebäuden. Sehenswert sind auch die Klosteranlage mit ihrem gepflegten Park und das imposante Schloss mit seiner Sgraffito-Fassade und den hohen Arkadengängen.
Etwa 90 Kilometer sind es von hier in die Universitätsstadt Olomouc (Olmütz). Zwei Mal muss man eine größere Steigung zurücklegen – zum Glück im Wald, wo die Sonne nicht so brennt. Anschließend geht in Kurven bergab. Doch einfach hinunter sausen ist keine gute Idee: Auf Schlaglöcher oder Buckel in der Straße muss man hier immer gefasst sein. Zwischendurch hat die Landschaft Mittelgebirgs-Charakter und ist so einsam, dass man nur hier und da ein Holzhäuschen oder einen Garten mit Obstbäumen trifft. Als Zwischenstopps auf der Strecke bieten sich die Städtchen Moravská Třebová, Mohelnice und Litovel an: Hier kann man das historische Zentrum erkunden und sich mit Proviant für die Weiterfahrt eindecken.
Erfrischende Seen und kunstvoll angelegte Blumengärten
Nach den vielen kleinen Städten hat Olomouc urbanen Charakter: Zahlreiche Restaurants, Cafés und Geschäfte reihen sich um die beiden Hauptplätze im Zentrum, den Horní und den Dolní náměstí. Hier kann man zwischen den Einheimischen flanieren und authentisch zu Abend essen – zum Beispiel Schweinebraten mit Knödeln oder Gulasch. Oder man macht sich auf Besichtigungstour: Zu sehen gibt es die Dreifaltigkeitssäule am Horní náměstí, das riesige Rathaus mit der Astronomischen Uhr, die barocke St.-Michaels-Kirche, den Wenzelsdom, einen großen Botanischen Garten – und vieles mehr.
Nun wendet sich die Route nach Süden. Weitgehend eben radelt man vorbei an kleinen Dörfern und blau schimmernden Seen, in denen sich zahlreiche Vögel tummeln. Auch ein Sprung ins erfrischende Wasser ist hier möglich. Das nächste Ziel ist die Kleinstadt Kroměříž (Kremsier) – ebenfalls Unesco-Welterbe. Ein Höhepunkt ist hier, in einem Hotel am Hauptplatz zu übernachten: Vom Zimmer schweift der Blick über schmucke Häuserfassaden und die Mariensäule, das erzbischöfliche Schloss und mehrere Kirchen. Und alle Sehenswürdigkeiten, Cafés und Restaurants sind nur einen Katzensprung entfernt. Lohnend ist auch der Blumengarten, in dem man zwischen kunstvoll angelegten Beeten, Springbrunnen und Skulpturen umherschlendern kann.
Als nächstes liegt wieder eine längere Strecke vor einem: Etwa 80 Kilometer sind es nach Brno (Brünn), der Hauptstadt Mährens. Bis ins Städtchen Vyškov saust man noch mühelos zwischen Sonnenblumenfeldern und Gebüsch nach Westen. Um die Haupstraßen zu vermeiden, schlängelt sich die Route dann auf kleinen Landstraßen durch die Dörfer – gefühlt etwa zehn Mal einen Hügel hinauf und wieder hinunter. Hübsch ist es aber doch, und wenn man im Schatten einer Baumgruppe Rast macht, kommt garantiert ein Dorfbewohner und bietet ein Glas Wasser an.

Brünn: Eine Stadt zum Flanieren
Brno mit seinen 400.000 Einwohnern ist schon eine richtige Metropole. Das historische Zentrum ist weitläufig und voll von prächtigen historischen Gebäuden. Laut Reiseführer spürt man hier schon den Wiener Einfluss: „Die Brünner flanieren gern und lieben ihre Straßencafés“. Auf jeden Fall sitzen sie überall auf bunten Liegestühlen, kaufen auf dem Krautmarkt Obst, Gemüse und tütenweise Mohn oder schlemmen auf einem Straßenfest am Freiheitsplatz Fleisch und Grillwürste aus riesigen Pfannen.
Doch auch zu sehen gibt es eine Menge: Zum Beispiel den Dom St. Peter und Paul, die Kunstsammlung in der Mährischen Galerie oder die Kapuzinergruft – wieder so ein makabrer Ort, diesmal mit Mumien anstatt mit Totenschädeln. Karge moderne Architektur bietet die Bauhaus-Villa Tugendhat. Und von der Festung Spielberg hat man einen beeindruckenden Rundblick über die Stadt.
Entlang des Flüsschens Svratka verlässt man Brno Richtung Süden, dann geht es gemütlich durch im Wind wogende Felder und kleine Dörfer bis zum weitläufigen Stausee Neumühl. Auf einem Deich durchqueren Straße und Radweg den See, an dem zahlreiche Vögel und seltene Tierarten leben. Kurz dahinter erhebt sich auf einem Hügel, schon fast an der Grenze zu Österreich, das malerische Städtchen Mikulov (Nikolsburg).
Atemberaubender Blick vom Heiligen Hügel
Hier lebte einst die größte jüdische Gemeinde Tschechiens. Heute sind auf dem jüdischen Friedhof noch etwa 2000 Grabsteine erhalten, die Obere Synagoge beeindruckt mit ihrer prachtvollen Thora-Kanzel mit vier Marmorsäulen. Auf einer Anhöhe im Zentrum liegt das eindrucksvolle Schloss, um den kleinen Hauptplatz reihen sich prächtige Häuserfassaden, die Dietrichsteiner Gruft – und jede Menge Ausflugs-Cafés. Und hoch über dem Ort ragt der Heilige Hügel mit der Wallfahrtskirche St. Sebastian auf. Der Aufstieg ist zwar mühsam, die Aussicht über den pittoresken Ort und die umliegenden Hügel lohnt sich aber unbedingt.
Nun ist die letzte Station der Radtour schnell erreicht: Zunächst saust man ein ganzes Stück abwärts, dann geht es eben durch blühende Wiesen nach Osten. Mittendrin erinnert ein Denkmal aus Eisenpfählen, das „Gateway of Freedom“, an den Eisernen Vorhang, der hier Jahrzehnte lang West- und Osteuropa trennte. Kurz danach hat man den größten Landschaftspark Europas erreicht: die Kulturlandschaft Eisgrub-Feldberg – nochmal ein Unesco-Welterbe. Höhepunkt ist das Schloss im kleinen Ort Lednice (Eisgrub), das mit seiner Größe und den gotischen Verzierungen den Loire-Schlössern Konkurrenz machen kann. Dahinter erstreckt sich ein weitläufiger Englischer Garten mit See, maurischem Pavillon und Minarett, auf der anderen Seite der Orangerie trift man auf einen gepflegten Blumengarten mit geschwungenen Ornamenten und exakt geschnittenen Hecken.
Nun ist man am südlichen Ende Tschechiens angekommen und hat die Wahl: Hier kann man seine Tour beenden, über die nahegelegene Grenze nach Österreich fahren – oder man hält sich nach Süden und radelt durch die wilden Flussauen der Morava (March) bis in die slowakische Hauptstadt Bratislava.

Text und Fotos: Christine Amrhein
Praktische Infos
Angaben zur Route
Gesamtstrecke: ca. 500 km
Fahrzeit (mit Zwischenstopps): ca. 8-10 Tage
Prag – Nymburk: ca. 56 km
Nymburk – Kutná Hora: ca. 37 km
Kutná Hora – Litomyšl: ca. 107 km
Litomyšl – Olomouc: ca. 93 km
Olomouc – Kroměříž: ca. 53 km
Kroměříž – Brno: ca. 80 km
Brno – Mikulov: ca. 60 km
Mikulov – Kulturlandschaft Eisgrub-Feldberg: ca. 14 km
Sehenswürdigkeiten entlang der Route
Infos zu vielen Orten in Tschechien: www.visitczechia.com
Kutná Hora
Palacky-Platz (Palackého náměstí): Hauptplatz im Zentrum
St.-Barbara-Kathedrale (Chrám sv. Barbory): www.chramsvatebarbory.cz
Kastell (Hrádek) mit Tschechischem Silbermuseum: www.cms-kh.cz
Welscher Hof (Vlašský dvůr): frühere Königsresidenz und Münzprägemuseum
Beinhaus (Kostenice) in Sedlec: www.sedlec.info
Mehr Infos zu Kutná Hora: de.wikivoyage.org
Litomyšl
Smetana-Platz (Smetanovo náměstí) mit schönen Renaissance-Gebäuden
Klosteranlage (Klášter)
Schloss Litomyšl (Zámek Litomyšl): www.zamek-litomysl.cz
Mehr Infos zu Litomyšl: de.wikipedia.org
Olomouc
Oberer Platz (Horní náměstí) mit Dreifaltigkeitssäule und Rathaus (Radnice) mit Astronomischer Uhr
Unterer Platz (Dolní náměstí) mit Mariensäule
St.-Michaels-Kirche (Chrám sv. Michala): www.svatymichal.cz
Wenzelsdom (Katedrála sv. Václava): www.katedralaolomouc.cz
Jesuitenkirche Maria Schnee (Kostel Panny Marie Sněžné): www.farnostsnezenka.cz
Erzbischöflicher Palast (Arcibiskupský palác): www.arcibiskupskypalac.cz
Botanischer Garten (Botanická zahrada): www.flora-ol.cz/ausstellungsgelande-flora-olomouc
Mehr Infos zu Olomouc: de.wikivoyage.org
Kroměříž
Erzbischöfliches Schloss (Arcibiskupský zámek) mit Schlosspark: www.zamek-kromeriz.cz
Blumengarten (Květná zahrada): www.kvetnazahrada-kromeriz.cz
Mehr Infos zu Kroměříž: de.wikivoyage.org
Brno
Dom St. Peter und Paul (Katedrála sv. Petra a Pavla): www.katedrala-petrov.cz
Festung Spielberg (Hrad Špilberk): www-spilberk-cz
Kapuzinergruft (Kapucínská krypta): hrobka.kapucini.cz
Villa Tugendhat: www.tugendhat.eu
Krautmarkt (Zelný trh) mit Altem Rathaus (Stará radnice)
Freiheitsplatz (Náměstí Svobody) mit prächtigen Gebäuden
Mährische Galerie (Moravská galerie): www.moravska-galerie.cz
Mehr Infos zu Brno: www.gotobrno.cz und wikitravel.org
Mikulov
Jüdischer Friedhof (Židovský hřbitov): www.zidovskyhrbitovmikulov.cz
Obere Synagoge (Horní Synagoga): www.rmm.cz
Schloss (Zámek): hwww.mikulov.cz
Dietrichsteiner Gruft (Dietrichsteinská hrobka): www.mikulov.cz
Heiliger Hügel (Svatý kopeček) mit Wallfahrtskirche St. Sebastian (Kaple sv. Šebestiána): www.mikulov.cz
Mehr Infos zu Mikulov: www.mikulov.cz/de , de.wikivoyage.org
Eisgrub-Feldberg-Areal (Lednicko-valtický Areál)
Gateway of Freedom (Brána ke svobodě): www.pametnimista.usd.cas.cz
Schloss Letnice (Státní zámek Letnice): www.zamek-lednice.com
Weitere Infos zur Kulturlandschaft Eisgrub-Feldberg: de.wikipedia.org
Übernachten in Kutná Hora
Hotel Mědínek
Palackého nám. 316
28401 Kutná Hora
Tel.: +420-327512741
www.medinek.cz
Hotel Garni Na Havlíčku
Havlíčkovo nám. 513
28401 Kutná Hora
Tel.: +420-771226021
www.hotelykh.cz
Übernachten in Litomyšl
Pension Paseka
Josefa Váchala
57001 Litomyšl
Tel.: +420-731173543
www.pensionpaseka.cz
Penzion Jízdárna Suchá (Pferdepension, ca. 4 km außerhalb)
Suchá 1
57001 Litomyšl
Tel.: +420-732204396
www.stajmanon.cz
Übernachten in Olomouc
Hotel Goal (beim Fußballstadion)
Legionářská 1165/12 vjezd z ulice
U Stadiónu
77900 Olomouc
Tel.: +420-773602612
www.hotel-gol.eu
Pension U Jakuba
8. května 520
77900 Olomouc
Tel.: +420-585209995
www.pensionujakuba.cz
Übernachten in Kroměříž
Hotel Bouček (am Hauptplatz)
Velké nám. 108
76701 Kroměříž
Tel.: +420-573342777
www.hotelboucek.cz
Pension U Kubesa
Kovářská 4
76701 Kroměříž
Tel.: +420-573334965
www.penzionukubesa.cz
Übernachten in Brno
Penzion Dvořákova
Dvořákova 1
60200 Brno
Tel.: +420-777172779
www.penziondvorakova.cz
Internesto Apartments
Veselá 164/14
60200 Brno
Tel.: +420-605287127
www.internesto.com
Übernachten in Mikulov
Penzion Fajka
A. Muchy 18
69201 Mikulov
Tel.: +420-732833147
Penzion Castle-Wall-Inn
Zámecká 3
69201 Mikulov
Tel.: +420-603885238